8. Juli 2020

Tokio ohne Kathrin

Aus und vorbei! Kathrin Unterwurzacher, 28, 2-fache EM-Medaillengewinnerin und Grand-Slam-Siegerin sowie Olympia-Siebente in Rio 2016 hängt nach 12 Jahren im ÖJV-Nationalteam den Judogi an den Haken und gibt ihr Karriere-Ende als Sportsoldatin und Leistungssportlerin bekannt. „Die Schmerzen sind zu stark. Mein lädiertes rechtes Knie lässt Top-Platzierungen nicht mehr zu.“

Sportdirektor Markus Moser hatte eine Liste von Argumenten für das Fortsetzen der Karriere zusammengetragen, wollte Kathrin Unterwurzacher zum Weitermachen bis zu den Olympischen Spielen 2021 in Tokio überreden. Doch nach nur ein paar Sekunden und wenigen Worten war die Sache entschieden. „Ihr Entschluss ist zu 100 Prozent nachvollziehbar. Kathrin hat alles versucht. Jetzt setzt sie, ohne viel Wehmut, einen Schlussstrich. Sie hatte eine vorbildliche Karriere! Wir bedanken uns bei Kathrin für 12 wunderbare Jahre!“

Kathrin Unterwurzacher beendet als 2-fache EM-Medaillengewinnerin, 2-fache Grand-Slam-Siegerin ihre Judo-Laufbahn. Die Olympischen Spiele in Tokio 2020 hätten den finalen Höhepunkt bedeuten sollen. Aber die Verschiebung um ein Jahr macht der 28-jährigen Tirolerin einen Strich durch die Rechnung.

Der Corona-Lockdown gab Zeit zum gründlichen Nachdenken und Abwiegen. Mit Anfang Juli war der Rücktritt beschlossene Sache: „Die Schmerzen beim Training sind zu groß. Ich hätte noch ein paar Wochen weitermachen können, aber nicht 12 Monate. Das rechte Knie lässt nach einem Kreuzbandriss und zwei Einrissen Top-Platzierungen nicht mehr zu. Nur dabei zu sein bei Olympia, ist mir zu wenig. Wenn ich keine Chance auf eine Medaille habe, dann lass ich lieber Magda (Krssakova) den Vortritt.“

„Kathrin war nicht nur meine Trainingspartnerin, wir sind auch die besten Freundinnen. Wir haben uns jahrelang gegenseitig gepusht. Ohne sie wäre ich jetzt nicht da, wo ich heute stehe. Sie hat an meinen Erfolgen großen Anteil“, meint Bernadette Graf.

TJV-Präsident & Unterwurzacher-Coach Martin Scherwitzl kann die Entscheidung nachvollziehen: „Wir hatten die Hoffnung, dass sich Kathrins rechtes Knie in der COVID-19-Zwangspause zu einem guten Teil erholen kann. Aber diese Rechnung ist leider nicht aufgegangen. Man hat ihr zuletzt die Schmerzen richtig angesehen.“ Nachsatz: „Klar, dass wir für Kathrin im Verein eine neue Rolle finden, eine wie sie lassen wir nicht einfach ziehen!“

Auch Judo-Austria-Präsident Martin Poiger zieht vor der 28-jährigen Tirolerin seinen Hut: „Kathrin war eine absolute Ausnahme-Athletin. Ihre professionelle Einstellung und die Art und Weise, wie sie Tag für Tag ans Limit gegangen ist, war beispielgebend. Mit dem Grand Slam 2016 in Tokio und den EM-Medaillen hat Kathrin österreichische Judogeschichte geschrieben.“

 

KATHRIN UNTERWURZACHER ÜBER…

… ihre Beweggründe für den Rücktritt: „1 Kreuzbandriss und zwei Einrisse waren letztlich zuviel. Die Schmerzen sind nicht weniger geworden. Auch die Stabilität ist nach vier Monaten nicht besser geworden – dann war mir klar: So kannst Du nicht noch ein Jahr, bis Tokio 2021, weitermachen. Das hätte keinen Sinn. Mit einem kaputten Knie bist du nicht konkurrenzfähig.“

… die schönsten 3 Karriere-Momente: „Am schönsten war sicher der Grand-Slam-Sieg in Tokio, d.h. im Judo-Mekka schlechthin. Ich habe an jenem 2. Dezember 2016 gleich 2 Japanerinnen auf dem Weg zum Sieg ausgeschaltet. Wenn Du als Ausländerin von 14.000 Japanern für Deinen Erfolg mit Standing Ovations gefeiert wirst, bist du einfach hin und weg. Diese Bilder werde ich nie vergessen. Fast genauso schön waren die 2 EM-Medaillen – Silber 2016 in Kasan/Russland, Bronze 2017 in Warschau, nur sechs Monate nach meiner Lungenembolie.“

… die eigenen Stärken: „Ich war bekannt für meine Risikobereitschaft bzw. dafür, immer ans Limit zu gehen!“

… Zukunfts-Perspektiven: „Meine berufliche Zukunft steht noch in den Sternen. Ganz ohne Judo wird es aber sicher nicht gehen. Eine Trainerkarriere will ich nicht ausschließen.“

MARTIN SCHERWITZL ÜBER…

… das Erfolgsduo Graf/Unterwurzacher: „Für mich waren die beiden immer ein Team. Wir sind zusammen durch Höhen und Tiefen gegangen. Da gab’s bewusst keine Sonderbehandlung. Das hat uns zusammengeschweißt.“

… Kathrins Stärken auf der Matte: „Kathrin war immer eine sehr systematische Kämpferin, hat sich strikt an taktische Vorgaben und Konzepte gehalten. Berni agiert da viel intuitiver.“

… Kathrins Entscheidung, die Karriere zu beenden: „Der endgültige Knackpunkt war die Olympia-Verschiebung. Da wussten wir beide: Das kann sich nicht ausgehen, macht aus sportlicher Sicht leider keinen Sinn mehr. Mit einem kaputten Knie ist Kathrin auf internationalem Top-Niveau nicht mehr konkurrenzfähig.“

… gemeinsame Zukunfts-Perspektiven: „Dass Kathrin dem Judozentrum Innsbruck erhalten bleibt, ist selbstverständlich. Eine wie sie lassen wir nicht einfach gehen. Kathrin ist unglaublich beliebt, war ein Vorbild für alle. Das Gros ihrer engsten Freunde ist aus dem Klub.“

BERNADETTE GRAF ÜBER…

… ihre langjährige Trainingspartnerin: „Wir haben in den letzten 12 Jahren sehr viele Höhen und auch Tiefen miteinander erlebt. Wir trainieren nicht nur gemeinsam, sind auch abseits der Matte die besten Freundinnen. Dass unser Kontakt jetzt abreißt, ist ausgeschlossen. Aber natürlich wird sie mir im Training und auch bei den Wettkämpfen fehlen. Ich hätte sehr gerne noch einmal Olympische Spiele gemeinsam mit ihr erlebt – das wäre der Plan gewesen.“

… eigene Ziele: „Eine Medaille bei der EM im November in Prag wäre auch im Hinblick auf die Spiele 2021 in Tokio ein wichtiger Teilerfolg. Olympia bleibt für mich das große Fernziel. Meine Rückenprobleme sind in der Coronakrise kaum besser geworden, aber ich habe gelernt, damit besser umzugehen.“

… COVID-19-Training: „Ich habe die Freiheit genossen, völlig selbständig entscheiden zu können, was und wie ich trainiere. Dazu habe ich das Bergwandern für mich neu entdeckt.“

… den geplanten Vergleichskampf gegen Deutschland am 28. August: „Ein Prestige-Duell. Sie haben viele gute Kämpferinnen in meiner Gewichtsklasse, allen voran Anna Maria Wagner, Sechste der Weltrangliste.“

MAGDALENA KRSSAKOVA ÜBER…

… ihr Verhältnis zu Kathrin Unterwurzacher: „Wir verstehen uns ausgesprochen gut, obwohl wir in derselben Gewichtsklasse antreten. Dass sie jetzt ihre Karriere wegen einer Knieverletzung beenden muss, tut mir leid. Ich hätte ihr einen schöneren Abschied gewünscht.“

… die interne Olympia-Qualfikation: „Ich bin jetzt einmal geschockt, werde ein paar Tage brauchen, um die Entscheidung zu verdauen. Ich hätte lieber bis zum Schluss mit Kathrin um das Tokio-Ticket gekämpft.“

Kathrin Unterwurzacher – Zahlen & Fakten:

Name: Kathrin Unterwurzacher

Alter: 28 (geboren am 5.6.1992)

Verein: JZ Innsbruck

Graduierung: 3. Dan

Erfolge (Kategorie – 63 kg): U-17-EM-Titel (2008, Sarajevo/BIH), U-20-WM-Bronze (2010, Agadir/MAR), U-23-EM-Titel (2011, Tyumen/RUS; 2013, Samokov/BUL), 30 internationale Top-3-Platzierungen in der allgemeinen Klasse – darunter 2 EM-Medaillen (Silber 2016 in Kasan/RUS, Bronze 2017 in Warschau/POL, 2 Grand Slam-Siege (Tokio 2016, Baku 2015), 8 Grand-Prix-Siege, Olympia-Teilnahme 2016 (Rang 7, Rio de Janeiro), höchste Weltranglisten-Platzierung: Nummer 2 (2017);

Medien-Kontakte:

Landesverband Tirol: Anna-Katharina Told, 0650-8862266, presse@judotirol.at;


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