14. Juli 2012

„Weltmeister werden beim Training gemacht“

Hilde Drexler zu Gast bei Radio Wien. Auszüge aus dem Interview mit Sportredakteur Martin Lang. Noch 13 Tage bis zu den Olympischen Spiele 2012 in London. Noch bevor Österreichs Judoka morgen gemeinsam um 11:00 Uhr ihre hochwertige Einkleidung für London im Hotel Marriott ausfassen, war heute die Wienerin Hilde Drexler (Café + Co. Vienna Samurai) zu Gast bei Martin Lang in der Sportredaktion Radio Wien.

Martin Lang: … Was macht man mit dem ganzen Gewand? Es gibt einen Ausgehanzug, Trainingsgewand, den Kimono hat man selber oder bekommt man diesen auch vom ÖOC? Hilde Drexler: Die Kimono werden von der IJF besorgt, diese sind genormt und müssen speziellen Richtlinien entsprechen. Ich weiß natürlich nicht wie die Ausrüstung des ÖOC aussieht, bin jedoch schon gespannt. Wir sind verpflichtet diese zu tragen. ES wird aber so sein, dass wir bei den Spielen mit den anderen Nationen sicherlich viel tauschen werden. Natürlich den Rest der Ausrüstung, nicht die Kimonos. Martin Lang: Schon ein bisschen die kommenden Termine angeschaut? Judo ist tradionellerweise schon in der ersten Woche am Olympischen Programm. Bleibt man dann noch länger bei den Spielen, wenn der Wettkampf vorbei ist, um sich andere Sportarten anzusehen oder auch Trainingsmöglichkeiten zu nützen? Hilde Drexler: Ich bin bis 13. August in London. Ich finde es schön, da ich sowohl die Eröffnungs- als auch die Schlussfeier mitbekomme. Wahrscheinlich werde ich mir Turnen ansehen, ich habe aber noch keinen Plan. Ehrlich gesagt, bin ich nicht so sehr sportlich interessiert. Ich bin aber ein fürchterlicher Judo-Fanatiker – es kann schon passieren, dass ich mir 8 Stunden am Stück Kämpfe im Internet anschaue. Nicht nur zur Analyse, sondern auch Judoka, die mir sehr gefallen, die schönes Judo machen. Bei anderen Sportarten bin ich nicht so dahinter, auch nicht so informiert. Zu Hause werden mich viele beneiden, dass man hier viele internationale Stars sehen kann – ich werde bei denen vorbeilaufen, und diese nicht erkennen! Martin Lang: Bei Michael Phelps tut man sich schwer, der ist so umringt von seinem Personal, an ihn kommt man sowieso nicht heran. Sonst fragst halt, wie der oder die heißt! Von vielen Erzählungen von Sportlern weiß ich – oder worüber Sportler immer wieder berichten – dass dies sowieso keine Rolle spielt. Weil Sportler unter Sportler sind! Hilde Drexler: Denke ich auch! Glaube auch nicht, dass dort so eine Hierarchie herrscht, es wird eher kumpelhaft sein. Ich bin schon sehr gespannt! Martin Lang: Gab es ein Vorbild im Judosport? Hilde Drexler: Schwierig zu sagen. Sabrina Filzmoser ist in menschlicher Hinsicht ein großes Vorbild, ich nenne sie nur „Engel“, ich habe noch nie so eine gute Person getroffen. Sie ist trotz ihrer Erfolge so bescheiden geblieben. Wenn z.B. in einer Turnhalle keine Matten aufliegen, dann ist sie die Erste, die mithilft. Andere mit ihrem Status würden dies vielleicht lassen, sie ist sich für nichts zu schade. Dies ist so eine demütigende Haltung, wo man selber demütig wird und denkt, so gehört es sich, so will man auch sein. In sportlicher Hinsicht Norbert Haimberger, war lange Zeit in unserem Verein, Europameister 1992, war schon ein großes Vorbild für mich. Martin Lang: Er hat auch noch einen späteren Wiener Judoka Eric Krieger gemanagt und unterstützt. So ist eben die Tradition im Judosport. Als Judo noch nicht olympische war, kannte man Edith Hrovat und Gerda Winklbauer. Dann natürlich Peter Seisenbacher – „old time hero“ – ist noch immer in Georgien Teamchef? Hilde Drexler: Genau, habe ihn vor drei Wochen auf einem internationalen Trainingslager in Tschechien gesehen. Es war ganz lustig, muss ein wenig ausholen. Randori heißt es, wenn wir Trainingswettkämpfe machen, diese macht man auch mit internationalen Partnern, die später natürlich auch Gegnerinnen sein können. Bei diesem Trainingslager haben seine georgischen Schützlinge bei einem Training „nur“ ein wenig herumgetan, danach hat er sich erhoben und gemeint: „Is this a Randori or a Circus? Diese Gestik hatte den georgischen Kämpfer doch motiviert, ein wenig stärker und konzentrierter zu trainieren. Martin Lang: Locker sein auf der Matte gibt es beim Judo kaum? Spaß haben auf der Matte ist ein sehr eigenes Thema! Es gibt viele Sportarten, wo man sagt, heute ist alles viel lockerer, mehr regenerativ, man blödelt herum. Dies kenne ich aus dem Judosport weniger! Hilde Drexler: Es kommt drauf an. Wenn man mit internationalen Partnern trainiert, ist diese Begegnung auch eine Prestigesache. Man will sich keine Blöße geben, man will gegen die direkte Kontrahentin mächtig auftreten. Ein Trainer hat einmal gemeint, Weltmeister werden beim Training gemacht. Wenn man beim Training ordentlich auftritt, dann hat die Gegnerin Respekt vor dir. Sie wird dann beim Kampf auf der Matte zu Beginn ein wenig zurückschrecken, dann hast du schon einen Vorteil. Ich selbst trainiere in Österreich mit sehr vielen jungen Burschen, gibt es doch bei den Frauen in Österreich nicht so eine starke Judodichte. Hier kann es schon sein, dass man es lockerer angeht, viel ausprobiert. Hier kommen Bewegungen und Techniken zustande, einfach schön, gegen internationale Gegnerinnen kommt dies beim Training eher selten vor. Martin Lang: Darf man als Spitzensportlerin essen was man möchte oder ist man etwas anfällig, dass man die Gewichtsklasse nicht mehr halten kann? Hilde Drexler: Prinzipiell sollte man sich als Sportler gesund und ausgewogen ernähren. Ich selbst esse sehr viel Schokolade, immer wieder eine kleine Sünde. Ich habe aber das Glück, dass ich keine Gewichtsprobleme habe, ich kann fast alles essen was ich will, ohne zu zunehmen. Es ist aber im internationalen Judo üblich, dass man meist schwerer ist, als seine Gewichtsklasse. Man muss halt dann in Richtung Wettkampf „das Gewicht machen“, es gibt verschiedene Arten. Die Einen fangen 3-4 Wochen vorher an, und sich mit gesunder Ernährung an ihr Gewicht herantasten, Süßigkeiten weglassen, viel Eiweiß essen. Die Anderen „kochen“ das ganz radikal ab, z.B. im Schwitzanzug in der Sauna sitzen und Übungen machen. Gesundheitlich eher fragwürdig, aber durchaus üblich. Martin Lang: In deinem Fall, keine Gewichtsprobleme, oder könnte man auch in der Kategorie bis 70 kg antreten? Hilde Drexler: Dies wäre für mich fatal. Stärke gehört nicht unbedingt zu meinen sehr guten Eigenschaften. Ich habe eine gute Kondition, in der höheren Kategorie müsste ich fast 10 Kilo an Muskelmasse zulegen. Meine Gewichtsklasse wird die Kategorie bis 63 kg bleiben. Martin Lang: Der österreichische Judosport hat letztes Jahr mit dem überraschenden Ableben von Claudia Heill einen schweren Moment erlebt. Spricht man noch darüber, hat dies die Judoszene verarbeitet? Hilde Drexler: Es wird schon noch darüber gesprochen, es sind noch viele darüber erschüttert. Ich selbst denke sicherlich wöchentlich an sie. Ihr Tod ist immer noch unbegreiflich. International treten noch immer Leute an mich heran, um dieses Thema anzusprechen. Es ist noch nicht verarbeitet. Martin Lang. Der langjährige Trainer Hubert Rohrauer ist nun Trainer in eurem Verein? Hilde Drexler: Er ist sehr erfolgreich tätig, er ist praktisch Head-Coach. Er trainiert die Jungen, er ist für die Burschen zuständig. Marco Bubanja wurde bei der Jugend-EM Zweiter, dieser Erfolg geht sicherlich sehr auf die Kappe von Hubert Rohrauer. Martin Lang: Warum ist Österreich vor allem im Damen-Judo in den letzten Jahren „stärker“ als bei den Herren? Hilde Drexler: Ich habe da eine Theorie, weiß aber nicht, ob dies die Männer gerne hören wollen. Ich glaube, die Mädels können einfach härter zu sich sein. Die Burschen sind meist zu weich, besonders im Vergleich zum internationalen Judosport. Es gehört einfach vielmehr Härte zu sich selbst dazu. Sabrina Filzmoser z.B. hat nach 3 Tagen den Gips vom Fuß gegeben und mit Tape weitertrainiert. Meine Theorie, die Burschen sind ein wenig zu verweichlicht! Martin Lang: Hilde Drexler ist zum ersten Mal bei den Olympischen Spielen dabei. Hat sich Hilde Drexler schon mal mit dem Olympiasieg auseinandergesetzt oder geht es im Sport einfach nur um die Verbesserung des individuellen Leistungsniveaus? Hilde Drexler: Als ich 2000 die Eröffnungsfeier von Sydney gesehen habe, habe ich zu meinen Eltern gesagt, Olympische Spiele will ich auch einmal erleben. So konkret habe ich mich noch nicht mit einem Olympiasieg auseinandergesetzt. Für mich ist es wichtig, von Kampf zu Kampf zu denken. Andere wiederum fokussieren das Endziel, den Olympiasieg. Martin Lang: Wie schaut nun der Wettkampf im Judo aus, wie groß ist das Teilnehmerfeld und wie ist der Weg ins Finale? Hilde Drexler: Es gab nun eine Regeländerung, es gibt keine Hoffnungsrunde mehr. Dies bedeutet, man muss den ersten und den zweiten Kampf gewinnen, um unter den letzten Acht zu stehen, ansonsten ist man ausgeschieden. Früher gab es noch eine Hoffnungsrunde. Das Starterfeld bei Olympia umfasst pro Kategorie 32 Männer sowie 23 Frauen, die Qualifikation für die Teilnahme bei den Olympischen Spielen selbst ist sehr unübersichtlich. Martin Lang: Wann erfährt man welche Gegnerinnen man hat? Hilde Drexler: Die Auslosung ist einen Tag vor dem Wettkampf. Es gibt 7 Gewichtsklassen bei den Männern und auch bei den Frauen. Am ersten Tag kämpft bereits „Lupo“ Paischer in der Kategorie bis 60kg, bei den Frauen ist die Kategorie bis 48kg am Start. Martin Lang: Bei anderen Sportarten kann man sich sehr lange auf die Gegner einstellen. Beim Judo ist die Vorbereitung – wen man es überhaupt macht – sehr kurz! Hilde Drexler: Ganz ist es nicht so. Die 22 Gegnerinnen kennt man ja bereits von vergangenen Wettkämpfen. Es gibt unheimlich viel Videomaterial im Internet, aber man überlegt und analysiert immer wieder: „Wie greife ich am besten an. Welche Taktik wende ich an. Welcher Wurf würde da am besten funktionieren? Man hat natürlich dann nur eine kurze Zeit sich auf die eine Gegnerin einzustellen, man ist aber schon vorher informiert. Martin Lang: Schläft man eigentlich vor einem Wettkampf unruhig? Gibt es ein bestimmtes Ritual? Hilde Drexler: Ja. Man ist nervöser. Betreff Ritual, kann ich folgendes sagen. Für die Abwaage braucht man Pass und Akkreditierung, die lege ich mir schon rechtzeitig zu recht. Ich neige auch dazu, Dinge zu vergessen. Einmal bin ich fast zu spät zur Abwaage gekommen, habe es mit der Zeitumstellung nicht ganz hinbekommen. Im Grunde ist es gefährlich, vor der offiziellen Abwaage gibt es nur eine Probeabwaage. Danach darf man nur einmal auf der Waage stehen. Wenn man das Gewicht nicht hat, darf man nicht starten. Martin Lang: Sie merken ja, dass Hilde Drexler sehr eloquent ist. Sie studiert was? Hilde Drexler: Germanistik. In letzter Zeit sehr wenig. Zeit und Konzentration lag in letzter Zeit vor allem auf der Olympia-Vorbereitung. Ich trainiere in Linz, dort gibt es leider keine Geisteswissenschaften. Ich bin ein sehr begeisterter Literaturfan. Ich möchte nach dem Ende meiner Karriere – wann auch immer dies sein wird – vergleichende Literaturwissenschaften studieren. Dies ist ein weiterer Traum von mir, dafür spare ich auch schon. Martin Lang: Bis zu den Olympischen Spiele 2016 könnte es sich noch ausgehen. Soweit blickt man gar nicht voraus. Jetzt kommen noch weitere Termine bis Olympia. Sonntag die Einkleidung, Montag die Verabschiedung beim Herrn Sportminister Mag. Norbert Darabos (Anmerkung), beim Herrn Bundespräsident Dr. Heinz Fischer und danach noch beim Herrn Bürgermeister Dr. Michael Häupl? Hilde Drexler: Ich wurde auch in Oberösterreich schon verabschiedet. Es war sehr lieb. Martin Lang: Als Sportler ist man nun schon in der Phase, wo man sich auf den kommenden Wettkampf konzentriert. Einerseits genießt man diese Situation, anderseits ist man dann sicherlich froh, wenn der Rummel vorbei ist, und man sich auf die Wettkampfsituation vorbereiten kann. Wie funktioniert eigentlich das Training in London? Hilde Drexler: Wir haben eine eigene Trainingspartnerin, Marlies Priesner (SV Gallneukirchen, Anmerkung,) die wir extra mitnehmen, die uns zur Verfügung steht. Bei jedem großen Event gibt es eigene Trainingshallen. Martin Lang: Dann schauen wir, was in London passiert! Was macht man nun bis zum Wettkampf? Hilde Drexler: Das Vorbereitungstraining beginnt sehr früh, man macht Basisarbeit, es wird viel Kraft und Kondition gemacht. Je näher es zum Höhepunkt, dem Wettkampf bei den Olympischen Spielen geht, wird sehr spezifisch trainiert. Es gab sehr viele Trainingswettkämpfe, Randoris. Wir waren sehr viel unterwegs, in Spanien, in Tschechien, in Rauris, jetzt kommt noch ein Trainingslager in Ungarn. Martin Lang: Man ist dann froh, wenn der Wettkampf kommt? Hilde Drexler: Auf alle Fälle. Man merkt, es wird langsam Zeit. Martin Lang: Ich hoffe wir sehen uns wieder. Die Karriere wird weitergehen. Es hat sich jetzt bestens ergeben. Hilde Drexler: Danke. Es ist das erste Mal in einem Radiostudio. Ich würde gerne wiederkommen. Martin Lang: Was rät eine Spitzen-Judoka Eltern oder Jugendlichen, falls sie Judo ausüben wollen? Angeblich ein sehr guter Sport, wo Kinder fallen lernen, Aggressionen abbauen können? Hilde Drexler: Beim Judo wird der ganze Körper trainiert. Man lernt mit anderen Kindern umzugehen, man lernt Respekt. Im Judo braucht man das Gegenüber, es ist viel Zwischenmenschliches. Judo wird oft als Einzelsport gehandelt, tatsächlich brauche ich einen Partner, um trainieren zu können. Es gibt eine gewisse Hierarchie, einen großen Respekt. Ich kann den Judosport nur empfehlen. Judo als Spitzensport ist natürlich differenzierter zu betrachten. Martin Lang: Wir wünschen alles Gute. Danken für den Besuch. Apropos Nachwuchspflege: Café + Co. Vienna Samurai und Galaxy Tigers werden auch heuer wiederum am 22. September am Tag des Sports am Wiener Heldenplatz vertreten sein und den Judosport vorzeigen.


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