17. Mai 2023

Die "Gräfin" sagt Servus

Sag‘ zum Abschied leise Servus. 25 Jahre Judo, 10 davon in der absoluten Weltklasse, sind genug. „Mein Körper, speziell der Rücken, macht nicht mehr mit. Die Olympischen Spiele in Paris 2024 wären sonst mein letztes großes Ziel gewesen“, bekennt Bernadette Graf. Die 30-jährige Tirolerin, 5-fache EM-Bronzemedaillengewinnerin (4 x Einzel, 1 x Mixed-Team), Olympia-Fünfte von 2016, tritt zurück und wird ab Juni im Innsbrucker Stadtteil Hötting ihre berufliche Karriere als Polizistin starten.

„Judo war, ist mein Leben, mit fünf hab‘ ich begonnen und bin geblieben“, erinnert sich Bernadette Graf. Zum Abschied hat sie alle eingeladen: Familie, Freunde, Mitstreiter:innen, Kollegen:innen, Trainer:innen, Betreuer:innen, Sponsorpartner, Vereins- und Verbandsvertreter:innen, das ÖOC nicht zu vergessen. Das Dojo im Leistungszentrum Innsbruck schien für diese Zwecke zu klein, also musste man in die Tiroler Wirtschaftskammer ausweichen.

„Jetzt ist der ideale Zeitpunkt für mich, ich habe letzte Woche die Polizei-Dienstprüfung mit Erfolg bestanden. Mit 1. Juni beginnt für mich in Hötting ein neuer Lebensabschnitt“, sagt die ÖJV-Vorzeigeathletin. Noch immer wird sie auf Platz 60 der Weltrangliste geführt, obwohl sie ihr letztes internationales Turnier im April des Vorjahres bestritten hat. Ausgerechnet am 1. April 2022 gelang ihr mit Platz zwei beim Grand-Slam in Antalya, kein (April-) Scherz!, die letzte Podiumsplatzierung. Ihre 10-jährige Erfolgsbilanz als Nationalteam-Athletin kann sich mehr als sehen lassen: 2 Olympia-Teilnahmen ( 2016 Rio – Platz 5, Tokio 2021), 7 WM-Teilnahmen (5. Astana/KAZ 2015), 5 EM-Bronzemedaillen (4 x Einzel: Lissabon/POR 2021, Baku/AZE 2015, Montpellier/FRA 2014, Budapest/HUN 2013, 1 x Mixed-Team: Minsk/BLR 2019), 1 Grand-Slam-Erfolg (Moskau/RUS 2013), 5 Grand-Prix-Siege (Taschkent/UZB 2019, Hohhot/CHN 2017, Düsseldorf/GER 2016, Ulaanbaatar/MGL 2015, Astana/KAZ 2014).

Gefragt nach den schönsten drei Momenten ihrer Karriere, überlegt die Innsbruckerin nicht lange: „Es gab viele, aber drei Turniere stechen heraus. Auf Platz eins setze ich die Olympischen Spiele in Rio 2016. Als ich da bei meinem ersten Kampf gegen die Lokalmatadorin Maria Portela auf die Matte ging und die vollbesetzte Halle ausflippte, war ich beeindruckt. Eine derart laute Halle, man kann ruhig Länderspiel-Atmosphäre sagen, dazu das olympische Flair, das war ganz klar ein Gänsehautmoment – so etwas hatte ich in meiner Karriere noch nie erlebt. Natürlich schade, dass ich am Ende knapp an einer Bronzemedaille vorbeigeschrammt bin. Zweitschönster Moment war die erste EM-Medaille 2013 in Budapest. Ich habe im Kampf um Bronze die Schweizerin Juliane Robra besiegt. Sie hatte zwei Shidos, glaube ich, ich nur eine Strafe. Das gab damals den Ausschlag zu meinen Gunsten und ich hatte meine erste (internationale) Medaille in der allgemeinen Klasse sicher. Es war absolut kein schöner Kampf – aber er hat den Zweck erfüllt. Auf Platz 3 würde ich den Grand-Prix-Sieg in Düsseldorf 2016 reihen. Ich gab nach einem Kreuzbandeinriss im Knie nach sechs Monaten mein Comeback. In Deutschland waren damals alle Top-Athletinnen am Start. Ich habe jeden Kampf mit Ippon gewonnen, vorzeitig, im Semifinale habe ich die Kolumbianerin Yuri Alvear im Stehen mit Würgegriff besiegt, im Finale Chizuru Arai/JPN, die Olympiasiegerin von Tokio, 2-fache Weltmeisterin, mit Ura-nage Ippon geworfen. Judo-technisch gesehen war das ein perfekter Tag. Und auch da war die Halle voll, fast so wie in Rio.“

Die Dankeschön-Liste für die Abschiedsrede ist lange. „Es gibt so viele, denen ich unglaublich dankbar bin, die mir in meiner Karriere geholfen haben. Angefangen von meinem Papa, der mich bis 20 zu jedem Turnier begleitet hat, meine Mama, die bei jedem Turnier nervöser war als ich, Judo-Tirol-Präsident, LZ-Innsbruck-Chef und Trainer Martin Scherwitzl, Trainerin Kathrin Told, Trainingspartnerin und Nationalteamkollegin Kathrin Unterwurzacher, OZ-Betreuer Carson Patterson, das Bundesheer, jetzt die Polizei, meine Sponsoren, meine ÖJV-Coaches Marko Spittka, Yvonne Snir-Bönisch, die Betreuer:innen, Physios, der Verband im Allgemeinen, das ÖOC… ich könnte noch viel länger reden… Ein großes Danke an alle!“


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