Noch hat sie die Masters-Goldmedaille um den Hals, langsam beginnt sie die Tragweite ihres Erfolges zu realisieren: Michaela Polleres. Die 25-jährige Niederösterreicherin hatte noch keine Zeit den Judogi auszuziehen und strahlt mit ÖJV-Headcoach Yvonne Snir-Bönisch und Nationaltrainer Robert Krawczyk um die Wette. Was für ein Triumph! Das Masters ist – gemessen an den Weltranglisten- und Olympia-Qualifikationspunkten – das zweitwichtigste Turnier des Jahres (nur die WM wird höher bewertet). Nur die Top-36 der Weltrangliste (pro Kategorie) sind startberechtigt. In der Kategorie – 70 kg fehlte aus den Top-10 nur die bereits zurückgetretene Japanerin Yoko Ono. Auf dem Weg zum Titel schaltete die Olympia-Zweite und WM-Dritte 2021 u.a. die Weltranglisten-Erste Sanne Van Dijke (NED) und Ex-Weltmeisterin Marie Eve Gahie (FRA) aus. Jetzt, gut eine Stunde nach der Siegerehrung, hat sie Zeit, den Erfolg langsam Revue passieren zu lassen.
Michaela Polleres über…
… den Moment des Triumphs:
„Das Masters ist an sich – als Einladungsturnier der Besten – schon ein richtig cooler Event, am Ende als Siegerin dazustehen ist für mich einfach nur unglaublich. Der Moment als mir klar wurde, dass ich Gold sicher habe, war unbeschreiblich. Das war Freude pur, da ist die ganze Anspannung abgefallen und die Emotionen sind einfach aus mir rausgebrochen. Auch nach über vier Jahren wieder einmal die österreichische Bundeshymne auf World-Tour-Ebene hören zu können, war ein Gänsehaut-Moment pur.“
… ihr persönliches Erfolgsrezept:
„Ich habe mich in jedem Kampf versucht, ganz genau an die Taktik zu halten, die wir vorher mit Yvonne (Snir-Bönisch) und Robert (Krawczyk) besprochen haben. Zum Glück konnte ich das auch entsprechend auf die Matte bringen. Unsere beiden Coaches haben einen wirklich großen Anteil an diesem Erfolg, sie haben die Trainingsplanung super getimt, wir haben vor allem in den letzten Wochen sehr viel gemeinsam in Linz trainiert. Es ziehen einfach alle an einem Strang, genau so stelle ich mir die Zusammenarbeit vor.“
… die Stimmung im Judo-Austria-Team:
„Es war von Anfang an eine unglaubli8ch positive Stimmung im gesamten Team zu spüren – es war noch nie so entspannt, harmonisch und unkompliziert – das hat richtig gutgetan und war sicher ein wesentlicher Faktor für den Sieg.“
… ihren Finalkampf gegen Gahie:
„Marie ist richtig stark in den Kampf gestartet. Beim ersten Wurf hab‘ ich mir noch beim Landen gedacht: Das darf ja nicht wahr sein, so schnell in Rückstand zu geraten. Aber dann bin ich immer stärker geworden und konnte zum Glück schnell ausgleichen. Ab dem Moment war mir dann klar, dass ich sie schlagen kann. In den letzten Kampfminuten war ich mental einfach stärker. Marie attackiert viel und das Kontern liegt mir – mit ihrem Kampfstil komme ich meistens sehr gut zu recht.“
… den Stellenwert einer Masters-Goldmedaille:
„Das Masters ist mit der WM das wichtigste Turnier des Jahres – und in Israel waren eigentlich noch mehr Topleute am Start wie letztes Jahr bei Olympia in Tokio, weil nicht nur eine Judoka pro Nation erlaubt ist. Für mich ist dieser Erfolg daher ziemlich am selben Level wie Olympia-Silber, natürlich auch weil es diesmal Gold ist.“
… das abgelaufene Judojahr 2022:
„2022 war für mich ein richtig komisches Jahr, das vor allem am Anfang viele Rückschläge hatte. Ich bin richtig froh, dass ich zum Schluss wieder zu meiner Top-Form gefunden habe und mein Potential ausspielen konnte. Jetzt bin ich wieder am richtigen Weg Richtung Olympische Spiele Paris 2024.“
… Weihnachtsurlaub & die Ausblicke für 2023:
„Heute stoßen wir noch an, morgen geht es heim nach Österreich, dann ist Pause bis Mittersill. Bis dahin werde ich versuchen, Judo einmal so gut es geht auszublenden und daheim in Wimpassing ein bisschen abzuschalten. Kraft und Ausdauer werde ich in den kommenden Wochen zwar trotzdem immer wieder trainieren, um fit zu bleiben, aber vor allem will ich endlich auch wieder mehr Zeit für meine Freunde und Familie haben. Mein nächster Wettkampf-Auftritt wird dann beim Grand Slam in Paris sein.“