ÖJV-Präsident Martin Poiger hatte sich seinen Geburtstag (Sonntag, den 1. Mai) in Sofia ein wenig anders vorgestellt. „Natürlich hätte ich gerne die österreichische Hymne gehört oder auf die ein oder andere Medaille angestoßen. Aber Niederlagen passieren. Trotzdem brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Ein fünfter Platz und drei siebente Ränge sind kein Beinbruch“, meinte der Burgenländer, der als Generalsekretär der Europäischen Judo Union bei der EM in Sofia auch als Mit-Veranstalter auftrat. Im JUDO-AUSTRIA-Interview spricht der frischgebackene 45-Jährige über seine Eindrücke der letzten Tage in der bulgarischen Hauptstadt.
Martin, Happy Birthday, wie traurig stimmt Dich das Ende der ÖJV-Erfolgsserie. Vor neun Jahren gab’s in Tscheljabinsk (RUS) die letzte medaillenlose Europameisterschaft für Rot-weiß-rot, jetzt in Sofia wieder. Dabei hatte man im Vorfeld noch mit dem 1. Titel seit 11 Jahren spekuliert. Waren die Erwartungen zu hochgeschraubt?
Martin Poiger: „Unter Headcoach Yvonne Bönisch lief es jetzt 16 Monate lang wie am Schnürchen. Wir gewannen, EM-, WM- und Olympia-Medaillen, haben auch auf der IJF-World-Tour konstant abgeliefert. Die Medaillenflaute in Sofia ist natürlich bitter, aber sie ist erklärbar.“
Welche Gründe waren konkret ausschlaggebend, dass es diesmal nicht für eine Medaille gereicht hat?
Poiger: „Wir hatten am Samstag drei Judoka im Viertelfinale. Das können nicht viele Nationen von sich behaupten. Zu diesem Zeitpunkt durften wir uns noch große Hoffnungen machen. Danach gab’s dann aus den unterschiedlichsten Gründen sechs Niederlagen in Folge. Mit anderen Worten: Statt mit Edelmetall fliegen wir mit einem fünften und drei siebenten Rängen nach Hause. Dafür muss man sich nicht genieren. Wer vier Top-Platzierungen holt, ist absolut konkurrenzfähig. Michaela Polleres hat gegen zwei Top-Gegnerinnen verloren, sie konnte zuletzt wegen einer Gehirnerschütterung vier Wochen lang nicht trainieren. Ihr fünfter Platz ist definitiv als Erfolg zu werten.“
Trotzdem sind alle enttäuscht…
Poiger: „Wenn dem nicht so wäre, würde im Team was falsch laufen. Wir wollen natürlich immer das Maximum erreichen. Das ist legitim. Gleichzeitig müssen wir sagen, dass wir hier eine Reihe von Chancen ausgelassen haben. Für Magda und Shamil wäre viel mehr drinnen gewesen, wohl auch für Bernadette Graf. Wir werden uns jetzt in Ruhe über die Ursachen unterhalten und die weitere Saisonplanung adaptieren. Viel wird man nicht ändern müssen. Die Olympia-Qualifikation ab Juni und die WM im Oktober in Taschkent haben Vorrang. Das wussten wir schon vor der EM. Am Ende der Saison wird abgerechnet. Auf längere Sicht gesehen werden wir an unsere Vorjahrs-Erfolge anschließen können. Wir haben ein Weltklasse-Team und mit Yvonne Bönisch einen Weltklasse-Headcoach, die jetzt mit Robert Krawczyk noch eine wertvolle Ergänzung bekommt. Um unser Team braucht sich niemand Sorgen zu machen. Wir sind am richtigen Weg!“
Du warst in Deiner Rolle als Generalsekretär der Europäischen Judo Union auch Mit-Veranstalter in Sofia. Wie sieht Deine persönliche EJU-EM-Bilanz aus?
Poiger: „Die Bulgaren haben einen relativ kleinen Verband. Das lokale Organisationsteam bestand aus 20 hauptberuflichen MitarbeiterInnen und 95 Freiwilligen. Trotzdem war das Niveau der Veranstaltung richtig hoch. Die TV-Bilder waren top, auch die sportlichen Leistungen. Erstmals seit den COVID-19-Einschränkungen konnten wir wieder Fans in die Halle lassen. Wir hatten gut 5.000 Besucher an drei Tagen. Die Stimmung war vor allem bei Kämpfen mit bulgarischer Beteiligung richtig gut. Es hat Spaß gemacht und das Feedback der 40 teilnehmenden Nationen war durch die Bank sehr positiv. Für Bulgarien war es die sportlich erfolgreichste Judo-EM seit mehr als 40 Jahren.“