26. November 2020

Triple-WM-Gold

Es passierte vor 40 Jahren – ein sporthistorischer Moment, der sich in dieser Form nie mehr wiederholen sollte. Binnen 48 Stunden, an zwei Wettkampftagen, holte Österreich bei der 1. Frauen-Judo-WM der Geschichte, ausgetragen in einer Nebenhalle des berühmten Madison Square Garden in New York (vor 3.000 Zuschauern), durch Edith Hrovat, Edith Simon und Gerda Winklbauer drei Goldmedaillen. Österreich gewann die Nationenwertung vor Frankreich (1 x Gold, 3 x Silber, 4 x Bronze) und Italien (1 x Gold, 2 x Silber). Und Nationaltrainer Ernst Raser schaute an jenem Wochenende trotzdem mürrisch drein. „Ich war im ersten Moment sauer, dass Herta Reiter in der Kategorie bis 61 kg zwei unnötige Niederlagen kassierte und nur Fünfte wurde. Da wäre mehr möglich gewesen.“ Als ihn ÖJV-Langzeit-Präsident Kurt Kucera mit den Worten „dass ich so eine Sternstunde erleben darf, sowas gelingt uns nie wieder“ in Empfang nahm, meinte Raser nur: „Warum kein zweites Mal? Den Mädels ist alles zuzutrauen.“ EM-Titel folgten vom Judo-Frauen-Wunder-Team zuhauf, zu weiteren WM-Titeln kam es freilich nicht mehr.

Man schrieb den 29. und 30. November 1980: Die erste Judo-Weltmeisterschaft der Frauen wurde in New York, genauer in Manhattan, abgehalten. Im offiziellen Team-Hotel, dem noblen Hilton am Central Park, probte man lautstark für die bevorstehenden Thanksgiving-Feierlichkeiten, die Aktiven bekamen vor Mitternacht kaum ein Auge zu. Eine der Nebenhallen im Madison Square Garden (Fassungsvermögen: 3.000 Zuschauer) wurde zum Dojo umfunktioniert. Die Bühne war in roten Plüsch gehüllt. „Eigentlich sah es aus wie im Theater“, erinnert sich Ernst Raser. Holzstühle und Parkettboden inklusive. Die Stimmung war ausgelassen. Anders als heute, standen die schwereren Gewichtsklassen zuerst am Programm. So machte mit Edith Simon (-66 kg), ausgerechnet die Jüngste aus dem ÖJV-Team, den Anfang.

Die 19-Jährige, gerade mal Junioren-Staatsmeisterin, sollte bei der WM-Premiere erste internationale Wettkampfluft schnuppern. Deshalb hatte sich Raser nach langem Hin und Her für ihren Start entschieden. Doch es kam anders: Der Teenager schaltete im Eilzugtempo eine Favoritin nach der anderen aus: die Deutsche Karin Krüger, die Japanerin Hiromi Fukuda, die 5-fache Europameisterin Catherine Pierre (durch Armhebel) und im Finale schließlich auch noch die Britin Dawn Netherwood. Ganze 83 Sekunden dauerte das erste Frauen-WM-Gold-Duell der Judo-Geschichte und am Ende erklang für „Nobody“ Edith Simon, die sich mit einem Festhaltegriff durchgesetzt hatte, die österreichische Bundeshymne. „Da war sogar ich überrascht“, erinnert sich Raser. „Und bei uns im Team war mit einem Mal jede Hektik oder Nervosität wie weggeblasen. Vom ehrwürdigen Präsidenten Kurt Kucera vielleicht abgesehen.“

Tags darauf kam es noch dicker: Auch Edith Hrovat vom Polizeisportverein Leoben zog ins Finale (Kat. bis 52 kg) ein und machte wie schon Teamkollegin Simon tags zuvor mit ihrer Gegnerin kurzen Prozess. Die Steirerin zwang die Japanerin Kaori Yamaguchi nach 59 Sekunden mit einem Armhebel zur Aufgabe.

Dass dann am 2. Wettkampftag doch noch kurz Krisenstimmung im Judo Austria-Lager aufkam, lag an Gerda Winklbauer (-56 kg). Die Medizinstudentin renkte sich gleich im zweiten von insgesamt vier Kämpfen den Daumen aus. Während Raser um Fassung bemüht war, tönte die 3-fache Europameisterin: „Ich brauch‘ ein Tape, das geht schon.“  Minuten später behielt die angehende Ärztin nach zähem Ringen gegen die britische Dauerrivalin Loretta Doyle (mit Kampfrichterentscheid) die Oberhand. Im Finale um Gold lief dann wieder alles nach Plan, machte die Niederösterreicherin ihrem Ruf als „Würgerin von Stockerau“ alle Ehre und gewann gegen die Französin Marie-Paule Panza mit Ippon. Vom luxierten Daumen bekamen ZuschauerInnen & Gegnerinnen (fast) nichts mit.

Dass Herta Reiter (-61/UJZ Mühlviertel) ihren Bronzekampf verlor und Gertrude Kranzl (-72) vorzeitig ausschied, ging im allgemeinen Trubel um das Gold-Trio unter. Nur Headcoach Ernst Raser brauchte ein paar Minuten, bis auch ihn die allgemeine Euphorie im Team erfasste: „Die goldenen Stunden von New York sind mir in lebhafter Erinnerung geblieben“, gibt Ernst Raser gerne zu. Oder um es ein pathetischer zu formulieren: Das Thangsgiving-Wochenende von 1980 in New York ging in die heimischen Sport-Annalen ein.

Zahlen & Fakten zum ÖJV-WM-Triple von 1980:

 

 

 


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