England-Import Lubjana Piovesana (-63/LZ Hohenems/V) hat viel erreicht, seitdem sie vor zwei Jahren den österreichischen Reisepass ausgestellt bekam. Die Wahl-Vorarlbergerin stürmte – nach dreijähriger Pause – innerhalb von 24 Monaten auf Platz sechs der Weltrangliste. Bei EM, WM und Olympischen Spielen stand sie jeweils im Finalblock und kämpfte um Bronze. Am Ende blieb der 28-Jährigen jeweils der undankbare fünfte Rang. 2025 soll „Lulu“ – so ist ÖJV-Headcoach Yvonne Snir-Bönisch überzeugt – der endgültige Durchbruch bzw. die erste Medaille bei EM und/oder WM gelingen. Im Judo-Austria-Interview spricht die Austro-Britin u.a. über Freund Laurin Böhler, den Aufstieg zur Nummer 6 der Welt, ihre Pechsträhne bei Bronzekämpfen und ihre Erwartungen fürs angelaufene Jahr.
Seit fast fünf Jahren lebst du mit Laurin in Lochau bei Bregenz, seit Jänner 2023 bist du österreichische Staatsbürgerin. Seitdem hast du für Judo Austria 23 Wettkämpfe bestritten? Wie sieht deine persönliche Bilanz aus?
Lubjana Piovesana: „Als ich gesehen habe, dass ich jetzt schon Sechste der Weltrangliste bin, war ich kurz sprachlos. Damit hätte ich, ehrlich gesagt, nicht gerechnet. Immerhin musste ich ja wegen des Nationenwechsels knapp drei Jahre pausieren. Ich hatte keine großen Erwartungen, wollte mich langsam wieder ans Wettkampfgeschehen herantasten. So gesehen kann ich nur dankbar und glücklich sein, wie schnell es bergauf ging. Und ich bin sicher: Meine beste Zeit kommt erst.“
Welche Momente der letzten zwei Jahre sind dir in besonderer Erinnerung geblieben?
Piovesana: „Am meisten denke ich an den ersten Grand-Slam-Sieg in Baku zurück. Da ist eine riesige Last von mir gefallen. Ich habe hintereinander die Nummer 1 und 2 der Welt bzw. die regierende Weltmeisterin und die Junioren-Weltmeisterin ausgeschaltet. Das war nahezu außerirdisch. Baku war für mich eine Art Gamechanger. An zweiter Stelle würde ich die Olympischen Spiele in Paris nennen, auch wenn’s für mich kein Medaillen-Happy-End gab. Aber die Stimmung in der Halle war nicht zu überbieten und auch mit meiner Leistung konnte ich absolut zufrieden sein.“
Wann gelingt dir bei einem Großereignis der endgültige Durchbruch, sprich wann gewinnst du deine erste EM- oder WM-Medaille?
Piovesana: „Schon bei den Junioren war ich dreimal in Folge Fünfte. Erst beim vierten Großereignis (Junioren-WM 2017 in Zagreb – Rang 3) hat’s dann zu einer Medaille gereicht. Also vielleicht bringt mir der vierte Versuch auch in der allgemeinen Klasse Glück. Aber selbst wenn’s nicht klappen sollte, ist das absolut kein Beinbruch. Meine Zeit wird kommen!“
Wo siehst du für dich noch Verbesserungspotential?
Piovesana: „Meine größten Defizite liegen nach wie vor im mentalen Bereich. Gerade vor den Auftaktkämpfen bin ich ganz besonders nervös. Das belegt auch die Statistik: Wenn ich den ersten Kampf überstehe, dann habe ich im letzten Jahr immer den Finalblock erreicht.“
Wie erklärst du dir diese Nervenschwäche?
Piovesana: „Irgendwie scheine ich die lange Pause mental noch nicht ganz überwunden zu haben. Dazu muss man wissen: Seit meiner Kindheit bin ich regelmäßig, zumindest alle zwei, drei Wochen bei Wettkämpfen auf der Matte gestanden. Da war übertriebene Nervosität eigentlich nie ein Thema. Dann durfte ich drei Jahre lang nicht antreten. Seither ist meine Nervosität (vor Beginn der Kämpfe) stark angestiegen – bis hin zu Panik-Attacken. In Paris hatte ich die Situation gut im Griff, es wird langsam besser. Aber auf mentalener Ebene bleibt noch genügend Platz für Verbesserung. Daran arbeite ich…“
Dein Freund Laurin sagt, durch dich hätte er die Freude am Judo wiedergefunden. Wie hilfst du ihm konkret?
Piovesana: „Grob gesprochen: Für mich muss auch der Weg zum Erfolg stimmen, nicht nur das (Wettkampf-) Ergebnis. Wenn ich vier Jahr lang unglücklich sein müsste, um am Ende eine Medaille gewinnen zu können, würde ich abwinken. Ich möchte meinen Beruf gerne ausüben und – trotz aller Mühen – im Training Spaß haben. Diese positive Einstellung hilft mir, ein bisschen gelassener zu werden und ich glaube, auch Laurin ist nicht mehr ganz so auf Resultate fixiert. Aber am wichtigsten wird sein, dass er weiter verletzungsfrei bleibt. Ich glaube, dann stellt sich bei ihm der Erfolg ganz von alleine ein.“