„Schönreden hilft nichts“, sagt ÖJV-Headcoach Yvonne Snir-Bönisch. Die Olympiasiegerin von 2004 liebt klare Worte – nicht nur im Erfolg, auch in der Niederlage. Seit ihrem Amtsantritt im Jänner 2022 erlebte Judo Austria einen Höhenflug und konnte sich mit nicht weniger als 3 Olympia-, 3 WM- und 2 EM-Medaillen in der Judo-Weltklasse etablieren. Bei jedem Jahres-Höhepunkt wurden die gesteckten Ziele erreicht, viermal hintereinander – in Tokio 2021 (Olympische Spiele), Taschkent 2022 (WM), Doha 2023 (WM) und schließlich bei den Spielen in Paris 2024. Immer stand zumindest ein ÖJV-Judoka auf dem Podium. Und das war ziemlich ungewohnt, schließlich hatte man lange 11 Jahre auf eine WM- und gar 13 Jahre auf eine Olympia-Medaille gewartet. In Budapest 2025, im nach-olympischen Jahr, ist die Erfolgsserie gerissen. Österreich schaffte keine einzige Top-7-Platzierung, reist ohne zählbares Ergebnis von der Weltmeisterschaft in Budapest ab. „Wir sind weit unter unseren Erwartungen geblieben und maßlos enttäuscht, alle, Athlet:innen, Coaches und Offizielle. Unsere Bilanz – 2 Siege, 9 Niederlagen, dazu das 0:4 gegen Japan im Mixed-Team-Bewerb – ist ungenügend. Daran kommt keiner vorbei, das muss sich bis zum Start der Olympia-Qualifikation Mitte nächsten Jahres ändern.“ Yvonne Snir-Bönisch zieht traditionell nach dem letzten rot-weiß-roten Kampf ihre persönliche Bilanz, diesmal gibt es nicht viel Positives zu berichten, die gebürtige Potsdamerin ist um Fassung bemüht.
Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, heißt es. Die Zahlen von Budapest lauten: 10 ÖJV-Starts, 2:10 Niederlagen, keine Top-7-Platzierung, keine Medaille. Wie bitter ist diese WM-Bilanz für Judo Austria?
Yvonne Snir-Bönisch: „Wir sind ausnahmslos enttäuscht, sehr enttäuscht…. Diese WM hätten wir uns ganz anders vorgestellt – das Ergebnis ist ungenügend, das muss man in dieser Deutlichkeit so sagen. Einzige Ausnahme: Movli Borchashvilli hat sich wirklich teuer verkauft, im Schwergewicht mit Erik Abramov den EM-Dritten geschlagen. Er hat dann gegen die Nummer zwei verloren – nach einem mehr als anständigen Kampf. Für alle anderen gilt: Zwei Wochen Pause machen, den Kopf frei kriegen und dann neu starten. Mit einem klaren Plan, was besser werden muss.“
Was muss besser werden? Kann man die Ursachen schon klar festmachen?
Snir-Bönisch: „Die Einzelkritik wird es teamintern geben, das handhaben wir immer so. Es gibt eine Handvoll Faktoren, die man sich für jeden Aktiven ganz individuell anschauen muss. Allgemein gilt: Wir brauchen mehr harte Randori, d.h. Judo-Trainingseinheiten mit starken Partnern. Aufgrund von Verletzungen, Krankheiten bzw. anderen Umständen hat der Großteil der Athlet:innen heuer nicht den geplanten Umfang abspulen können. Das darf uns nächstes Jahr nicht mehr passieren. Das Gros des Teams wird die nächsten Grand-Slam-Turniere auslassen, stattdessen machen wir einen Neustart, arbeiten an den Grundlagen.“
Lässt sich das innerhalb von einem Jahr, bis zur WM in Baku 2026, ändern?
Snir-Bönisch: „So sehr die Niederlagen schmerzen: Die WM in Budapest spiegelt nicht unseren tatsächlichen Leistungsstand wider. Wir machen gerade einen Generationswechsel durch und die Jungen haben einen Leistungssprung gemacht und schon ihr Potential aufgezeigt – mit zwei Grand-Slam-Medaillen. Aber in der WM-Woche, wenn’s wirklich zählt, hat bis auf Movli niemand seine Normalform ausgespielt. Auch nicht Lubjana Piovesana, egal ob die Yuko-Wertung gegen sie okay war oder nicht. Sie hätte diesen Kampf nicht verlieren dürfen. Ich bin überzeugt, dass wir nächstes Jahr ganz anders dastehen. Niederlagen gehören zum Sport. Man muss nur daraus lernen.“
Wie ist die 0:4-Niederlage im abschließenden Mixed-Team-Bewerb gegen Japan zu bewerten?
Snir-Bönisch: „Damit musste natürlich gerechnet werden. Elena Dengg hätte sich den Ehrenpunkt verdient… Aber klar ist: Japan ist im Team klar über uns zu stellen. Nicht umsonst sind sie bei der WM seit sieben Jahren im Mixed-Team-Bewerb ungeschlagen. Was mir gefallen hat: Alle haben ihr Bestes gegeben und sich mit Kräften gegen die Niederlage gewehrt. Gegen Japan darf man verlieren, auch mit 0:4.“