Nun sind sie da. Man hat sie das erste Mal gesehen, das erste Mal im eigenen Kampf gespürt und das erste Mal haben Kampfrichter danach gearbeitet. Die Aufregung und Diskussion auf allen Seiten ist groß.
Angesprochen sind die neuen Wettkampfregeln der Internationalen Judo Föderation, die auch in Österreich per Vorstandsbeschluss seit 1. Jänner ihre Gültigkeit haben.
Seit einigen Jahren haben sich die erfahrensten Judoka, Trainer und Kampfrichter zusammen gefunden, um sich Gedanken darüber zu machen, wie man unsere Sportart nicht nur einem kleinen Kreis von Insidern zugänglich und verständlich machen kann. Die besten und anerkanntesten Vertreter der Kämpfer, Trainer und Kampfrichter haben es sich zum Ziel gesetzt, das Geschehen auf der Judomatte für die breite Öffentlichkeit verständlicher zu machen und die Attraktivität unserer Sportart zu steigern, sodass Judo auch das Interesse erweckt, das es verdient.
In der Vergangenheit waren die Kämpfe auf der Matte schon sehr weit vom Weg und den Gedanken der Kampfführung des ursprünglichen Judo, dem Judo von Jigoro Kano, abgewichen. Es war nicht mehr das Ziel, den Gegner mit Ippon zu besiegen. Vielmehr entstand ein Stil, mit einem kleinen technischen Vorteil in Führung zu gehen und diesen unter Ausnutzung aller nur erdenklichen Auslegungen der Wettkampfregel zu verteidigen und so den Sieg zu erringen. Dadurch entstanden Kämpfe, die für die breite Öffentlichkeit langweilig und unattraktiv waren. Wenn solche Kämpfe dann auch noch über die normale Kampfzeit hinaus gehen, erreicht man die Schmerzgrenze der Zuseher. Nicht selten ist so ein Kampf nach Ablauf der Kampfzeit durch Hantei mit 2 zu 1 Stimmen entschieden worden, sodass die Verwirrung des Publikums perfekt war.
Das so praktizierte Wettkampfjudo wollte niemand mehr sehen. Leute, die nicht wirklich Insider waren, konnten diese Art der Kampführung und die Grundlagen der Bewertung nicht verstehen.
Darum wurden Änderungen beschlossen. Tausende von Kämpfen wurden genau beobachtet und analysiert. Kriterien wurden herausgefiltert, die unattraktive Situationen zur Folge hatten. Die Beurteilung dieser Beobachtungen wurde in den verschiedensten Gremien von hochkarätigen Vertretern aus dem Bereich der Kämpfer, Trainer, Kampfrichter und Funktionäre in vielen Seminaren auf der ganzen Welt weiter analysiert und diskutiert.
Änderungen in der Wettkampfführung sind nur mit dem Werkzeug des Regelwerkes zu verwirklichen. Natürlich ist es nicht nur schwer, sondern auch sehr problematisch, Änderungen am eingesessenen Regelwerk vorzunehmen. Jede Änderung wird eine Reaktion im Kampfstil auslösen. Dies war auch den Verantwortlichen bewusst. Darum wurden die Änderungen nicht sofort in voller Bandbreite vollzogen, sondern Testwettbewerbe über längere Zeit durchgeführt. Die Erkenntnisse aus diesen Testbewerben wurden immer wieder in das neue Regelwerk eingebunden, bis man sicher war, das bestmögliche Ergebnis erzielt zu haben.
Um unsere AthletInnen immer auf dem Stand des Regelwerkes zu halten hat sich der Vorstand entschlossen, jede Änderung unmittelbar im Wettkampf umzusetzen. Dies hat den Vorteil, dass unsere Sportler bereits im Training auf die Auswirkungen der abgeänderten Regel eingehen konnten und dem Stil bei internationalen Wettkämpfen schon sehr gut umsetzen können.
Es ist für alle Beteiligten nicht leicht, Änderungen im Regelwerk umzusetzen. Lasst uns diese Änderung mit dem Steuer eines Schiffes im Ozean vergleichen. Jeder kleine Ausschlag des Ruders erzwingt eine Richtungsänderung die zeitverzögert zur Wirkung kommt. Es werden daher immer wieder kleine Veränderungen notwendig sein, um auf dem richtigen Kurs geradeaus fahren zu können.
Bei der Staatsmeisterschaft 2014 in Gmunden haben wir unser Schiff (abgeändertes Regelwerk) ins Wasser (auf die Matte) gestellt. Der Kurs ist vorgegeben. Wir haben uns entschlossen dem Kurs des Kapitän (IJF) zu vertrauen. Nunmehr liegt es an der Crew unsers Dampfers, diesen in die vorgegebene Richtung zu steuern.
Wie uns die Meisterschaft in Gmunden gezeigt hat, ist unser Schiff noch ein wenig am Schlingern, daher müssen wir alle – Kämpfer, Trainer, Kampfrichter und Funktionäre- zusammenarbeiten, um den richtigen Kurs zu finden und zu halten.
Der nächste Schritt wird sein, gemeinsam die Umsetzung der Änderungen im Regelwerk auf den internationalen Matten genau zu beobachten. Möglicherweise wird es notwendig sein, nach der europäischen Turnierserie eine kleine Kurskorrektur in Österreich vorzunehmen.
Albert Gmeiner, Technischer Direktor / Hans Paul Kutschera, Präsident