23. November 2020

Tokio kann kommen…

Wie verbringt eine frischgebackene Vize-Europameisterin ihren ersten freien Tag? Sie trifft Trainer Amjad Karimyan im BSFZ Südstadt und gibt ORF-Judo-Kommentator Didi Helbig ein ausführliches Interview. Die Erleichterung steht der 26-jährigen Wienerin – seit Montag (23.11.) auf Platz 18 der IJF-Weltrangliste zu finden – ins Gesicht geschrieben.

Rückblickend gesehen hätte die EM-Auslosung aus Deiner Sicht nicht schlechter sein können. Du hattest eigentlich nur Gegnerinnen, gegen die Deine Kampfbilanz klar negativ war. Wie erklärst Du Dir den Umschwung?

Magdalena Krssakova: „Ich hab‘ mir jetzt meine Kämpfe mehrmals auf Video angeschaut. Eine genaue Erklärung gibt es eigentlich nicht, außer: Ich war geduldiger als sonst, habe Fehler vermieden, länger auf meine Chance gewartet. Amjad sagt immer zu mir: Du musst nicht Angst vor den anderen haben, du bist selbst deine größte Gegnerin. Im Finale hat sich das wieder gezeigt. Ein falscher Schritt und Clarisse hat das prompt ausgenutzt.“

Clarisse Agbegnenou ist auch nicht irgendwer, die Französin hat seit Juni 2017 gerade einmal zwei Kämpfe verloren und 12 Titel geholt, darunter je 3 x WM und EM. Wolltest Du da zuviel?

Krssakova: „Ich hätte meiner taktischen Linie treu bleiben sollen – von den Kämpfen davor. Es war ein falscher Schritt nach nur 23 Sekunden. Ja, ich war wahrscheinlich zu ungeduldig. Das wurde bestraft.“

Wie wichtig ist dieser Vize-Europameistertitel für Dich bzw. für Deine weitere Karriere?

Krssakova: „Ich bin in der Weltrangliste so gut platziert, dass ich meinen Platz für die Olympischen Spiele in Tokio eigentlich fix habe. Aber ich will nicht nur eine (Teilnehmerin) sein, die halt auch dort ist. Jetzt, als EM-Silbermedaillengewinnerin von 2020, bin ich definitiv kein Nobody mehr. Jetzt gehöre ich zu den Olympischen Spielen nach Tokio. Jetzt müssen mich die anderen auf der Rechnung haben. Das ist ein verdammt cooles Gefühl!“

Was machst Du, wenn Du nicht gerade auf der Matte stehst?

Krssakova: „Ich gehe gerne bouldern, wir haben unsere eigene Kletter-Gruppe. Und ich bin eine leidenschaftliche Köchin, backe sehr gerne und viel. Meine Spezialität sind Cup Cakes.“

Wann geht’s für Dich wettkampfmäßig weiter?

Krssakova: „Wir haben kaum eine Pause. Nächste Woche fahren wir wieder auf Trainingslager nach St. Johann, hoffentlich mit möglichst vielen internationalen Randori-Partnerinnen. Das nächste Turnier ist das World Judo Masters im Jänner 2021 in Katar. Da soll es möglichst wieder so gut laufen wie am Freitag in Prag.“

Im Alter von 6 Jahren hat Magda – wie sie sagt aus Langeweile – einen Judo-Schnupperkurs besucht. Du warst der Lehrer damals, bist mittlerweile seit 18 Jahren ihr Coach. Ist sie Dir sofort aufgefallen?

Amjad Karimyan: „Nein, beim Schnuppertraining in der Schule war Magda noch unauffällig. Aber im Vereinstraining wurde mir schnell klar: Magda ist verlässlich und zielstrebig. Auch wenn für sie Judo damals nur Zeitvertreib war.“

Wann war klar, dass sie das Zeug zur EM-Medaillengewinnerin hat?

Karimyan: „Ich sage ihr das schon lange. Jetzt – mit der Silbermedaille um den Hals – weiß sie es endlich selbst. Das ist ein Meilenstein. Magda hatte immer Leistungsschübe, dann passierte länger nichts, plötzlich kam aus heiterem Himmel wieder der nächste Schritt usw. Sie hat sich ihre Erfolge alle hart, kontinuierlich erarbeitet.“

Was zeichnet Magda aus?

Karimyan: „Für mich ist sie eine Musterschülerin. Früher, als Magda noch klein war, musste ich sie motivieren und antreiben. Mittlerweile muss ich sie längst bremsen, damit sie nicht zuviel macht. Magda ist 1.) unglaublich verlässlich, 2.) sie hat einen unbändigen Willen und 3.) sie ist physisch richtig stark.

Wie wichtig ist dieser Vize-Europameistertitel für ihre weitere Zukunft?

Karimyan: „Der Vize-Europameistertitel ist extrem wichtig: Sie weiß jetzt: Dass sie bei einem Großereignis, am Tag X, auch Top-Shots wie Olympiasiegerin Trstenjak oder die WM-Dritte Trajdos schlagen kann.“

Was kann die Vize-Europameisterin Magda Krssakova 2021 noch besser machen?

Karimyan: „Ihre größte Stärke, der unbändige Wille, ist zugleich auch ihre größte Schwäche. Oft ist Magda zu ungeduldig, schlägt sich dann mitunter selbst. Wie auch im Gold-Kampf… In Prag hat sie gesehen, dass weniger im Judo oft mehr ist. Ich hoffe, sie wird 2021 ein bisschen geduldiger.“

 

 


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