27. März 2023

Trainer verzweifelt gesucht

Samstagnachmittag fand in St. Pölten, im Hotel Metropol, die Ordentliche Generalversammlung des Österreichischen Judoverbandes statt. Gut 50 Personen waren anwesend. Knapp drei Stunden wurde diskutiert. Am Rande des rot-weiß-roten Judo-Gipfeltreffens fanden auch noch diverse andere Sitzungen (Vorstand, Länderkonferenz, Dan-Kollegium) statt. ÖJV-Präsident Martin Poiger nahm sich danach Zeit für ein ausführliches Interview.

Du hast dich am Ende der Generalversammlung bei allen Teilnehmer:innen für die positive, konstruktive Stimmung bedankt. Erlaube uns die Frage: Was ist aus Präsidentensicht besser? Die Stimmung im Verband oder die aktuelle Situation?

Martin Poiger: „Die Stimmung ist immer gut, würde ich sagen. Zumindest in vergleichbaren Sitzungen. Die Situation ist nach mehr als 2 Jahren Pandemie noch immer herausfordernd. Aber ich glaube, wir machen als Judo Austria, die Landesverbände und Vereine eingeschlossen, einen ziemlich guten Job. Wir jammern nicht, wir arbeiten…“

Knapp 9.000 Judocards wurden österreichweit im 1. Quartal gelöst. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2019, sprich vor der Pandemie, waren es 12.194. Als du das Präsidentenamt übernommen hast, war das erklärte Ziel: + 20.000. Davon ist man aktuell weit entfernt. Wie beurteilst du die Lage im März 2023?

Poiger: „Im Moment lautet unser internes Ziel: Wir wollen heuer noch an die Zahlen von 2019 herankommen. Das ist absolut realistisch. Bis wir an 20.000 oder mehr Judocards denken können, wird es zugegebenermaßen noch eine Weile dauern. Aber an unseren Vorgaben von 2019 – da kann ich für den gesamten Vorstand sprechen – hat sich nichts geändert. Nur ein Beispiel: Die Tschechen haben nach dem Olympiasieg von Lukas Krpalek ihre Mitgliederzahl innerhalb eines Jahres verdoppelt. Also warum soll uns das nicht auch gelingen? Vielleicht nicht gleich innerhalb von 12 Monaten, aber mittelfristig. Erst recht, wenn wir in Paris 2024 an die Erfolge von Tokio (Silber: Michaela Polleres/-70, Bronze: Shamil Borchashvili/-81) anschließen können. Die jüngsten Siege von Michi beim Masters in Jerusalem und beim Grand-Slam in Taschkent, dazu der Überraschungserfolg von Wachid am Samstag in Tiflis. Also sportlich sind wir definitiv so gut wie seit Jahren nicht mehr.“

Organisatorisch drehte sich in der Vorstandssitzung fast alles um den Heim-Grand-Prix in Linz (25. – 27.5.). Die TipsArena fasst im Judo-Layout 1.500 Besucher:innen pro Tag. Wird die Halle ausverkauft sein?

Poiger: „Der Vorverkauf ist gerade erst angelaufen – unter www.judograndprix.at. Das Interesse ist groß, also vielleicht müssen wir sogar Zusatztribünen einsetzen. Im Bedarfsfall könnten wir die Kapazität jederzeit noch vergrößern, auch kurzfristig. Aber bei der Premiere in Linz – nach 21 Jahren Abstinenz auf der Judo-World-Tour – wollen wir eine möglichst volle Halle und eine Stimmung, die sich mit dem Final-Four in Gmunden vergleichen lässt. Speziell am Freitag, dem Tag, wo mit Michaela Polleres, Shamil und Wachid Borchashvili unsere aktuell drei stärksten Judoka im Einsatz sind, erwarten wir uns eine volle Halle.“

Wird der Oberösterreich-Grand-Prix in Linz auch international wahrgenommen? Können wir nur 2 Wochen nach Ende der WM überhaupt mit den Top-Stars rechnen?

Poiger: „Nicht umsonst werden wir im Jänner, beim traditionellen Olympia-Trainingslager in Mittersill, alle Jahre wieder von mehr als 1.000 Judoka aus gut 50 Nationen überrannt. Wir haben einen sehr guten Ruf als Judo-Organisatoren. Auch der Junioren-Europacup in Graz hatte im letzten Jahr Rekord-Teilnehmerzahlen. Wir rechnen mit 450 Judoka aus knapp 50 Nationen und insgesamt 500 Kämpfen. IJF-Präsident Marius Vizer wird zumindest an zwei Wettkampftagen in der Halle sein. Österreichs Nationalteam tritt sowieso in Bestbesetzung an, das ist Ehrensache. Und ich traue mir zu versprechen, dass wir aus den Nachbarländern auch ein paar Top-Stars begrüßen können, z.B. Doppel-Olympiasieger Lukas Krpalek/CZE oder Doppel-Weltmeisterin Barbara Matic/CRO, um nur zwei zu nennen. Wir gehen davon aus, dass wir sehr gut gebucht sein werden. Darunter verstehen wir 2.000 Nächtigungen oder mehr.“

Wenn man dir so zuhört, könnte man annehmen, die Pandemie wäre endgültig überstanden. Gibt’s wirklich gar keine Probleme, Sorgen mehr?

Poiger: „Im Sport bedeutet Stillstand gleichzeitig Rückschritt. Wer sich nicht ständig verbessert, muss sich hinterfragen. Zufriedenheit ist deshalb nur kurz angebracht – und ja, natürlich gibt es Herausforderungen zuhauf. Die Judocards haben wir schon genannt. Ein anderes Problem ist der akute Trainermangel in einigen Bundesländern. In Zeiten der Pandemie sind uns viele Trainer:innen verloren gegangen. Jetzt versuchen wir alles, um neue Coaches zu finden und sie dazu zu bewegen, sich ständig fortzubilden. Gleichzeitig starten wir in den nächsten Tagen mit den Talentetagen in Kärnten und der Steiermark. Die anderen sieben Bundesländer werden folgen.“


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