Wenn das neue Jahr vor der Türe steht, dann ist Zeit für das Olympic Training Camp in Mittersill, kurz OTC, das größte Judo-Trainingslager der Welt. Nach zweijähriger Corona-Pandemie steht im salzburgerischen Mittersill von 9. bis 17. Jänner die bereits 29. Auflage auf dem Programm. 1.100 Gäste – darunter mehr als 700 Judoka aus 45 Nationen – werden erwartet. Ein paar Zahlen: 7 Weltranglisten-Erste, 14 Olympiasieger:innen, 5 aktuelle Weltmeister:innen sind angesagt, darunter auch 86 ÖJV-Judoka, allen voran Masters-Siegerin Michaela Polleres (-70) und der WM-Dritte Shamil Borchashvili (-81). 45 Hotels sind gebucht und 30 Trainingseinheiten geplant. Insgesamt 1.300 Matten stehen für die internationale Judo-Familie bereit. Verlegt werden sie in wenigen Stunden von 60 Feuerwehrmitarbeiter:innen.
„Je näher das Trainingslager rückt, desto mehr steigt die Angst, dass wir irgendein kleines Detail vergessen haben oder es im letzten Moment noch Absagen gibt. So ein OTC wird in den letzten Tagen vor Beginn zum Full-Time-Job. Ein bisschen Kopfweh inklusive“, erzählt Organisator Ali Gmeiner. „Wir teilen uns im ÖJV die operative Arbeit zu dritt auf. Vereinfacht gesagt: Verena Lebinger hält den Kontakt zu den Teams, Markus Moser organisiert Flughafen-Transfers, Ehrengäste und anderwärtige Sonderwünsche, ich halte den Kontakt zu den Hoteliers und zur lokalen Politik bzw. den Behörden.“
Der Erfolg gibt dem Verband recht: „Ehrlich gesagt haben wir befürchtet, nach den zwei Corona-Jahren eine Reihe von Abstrichen machen zu müssen. Wir wären schon mit 500 bis 700 Anmeldungen zufrieden gewesen. Jetzt haben wir fast das Niveau von 2019 mit 1.300 Gästen erreicht. Punkto Judo-Qualität sind wir längst wieder auf dem absoluten Top-Level. Da kann uns kein anderer Veranstalter das Wasser reichen, nicht mal Tokio“, freut sich der ÖJV-Vizepräsident.
Woran das liegt? „Ich frage mich das manchmal auch und habe keine schlüssige Erklärung. Ich würde sagen, da spielen ein paar Faktoren zusammen. Wir sind kompromisslos, wenn’s um sportliche Belange geht, versuchen den Athlet:innen das optimale Service zu garantieren – sprich: professionelle Ernährung, kurze Anfahrtswege und jede Menge Weltklasse-Gegner. Dazu kommt, dass Mittersill jede Menge Abwechslung und Urlaubsflair bietet. Trainer und Kampfrichter sind einige Wochen vor Saisonstart in der Regel noch sehr entspannt. Entsprechend locker gestaltet sich die Atmosphäre.
Nur ein Beispiel: Doppel-Olympiasieger Lukas Krpalek wohnt mit dem tschechischen Nationalteam auf einem Bauernhof. Zum Training nimmt er einen 10-minütigen Spaziergang in Kauf. Die Frage nach etwaigen Sonderwünschen wurde kurzerhand mit „Nein, Danke“ beantwortet. Die Erklärung wurde nachgereicht: „Wir fühlen uns in Mittersill rundum wohl, brauchen keine Extras.“ Ali Gmeiners Gesicht beginnt sich aufzuhellen, während er die paar Zeilen vorliest. Sein Mund formt sich zu einem Grinsen. Dann läutet sein Mobiltelefon und das Judo-Austria-Interview ist beendet.
Zahlen und Fakten zu Mittersill (Stand: 3.1.2023):
- Das Olympic Training Camp wird zum bereits 29. Mal (seit 1993) ausgetragen. Nur im Vorjahr gab’s wegen der Pandemie kein Trainingslager. Als Veranstalter fungiert der ÖJV.
- Die größten Delegationen in diesem Jahr stellen Gastgeber Österreich mit 86 Athlet:innen, Ungarn (46), Italien (44), Niederlande (40), Aserbaidschan (36) und Tschechien (33).
- Folgende 14 Olympiasieger:innen sind angesagt, Einzel: Distria Krasniqi (KOS/-48), Nora Gjakova (KOS/-57), Lasha Bekauri /GEO/-90), Lukas Krpalek (CZE/+100), Lasha Shavdatuashvili (GEO/-73), Mixed-Team: Shirine Boukli (-48), Amandine Buchard (-52), Sarah Leonie Cysique (-57), Margaux Pinot (-70), Madeleine Malonga (-78), Romane Dicko (+78), Luka Mkheidze (-60), Guillaume Chaine (-73), Axel Clerget (-90/alle FRA).
- 7 Weltranglisten-Erste werden erwartet: Shirine Boukli (FRA/-48), Barbara Matic (CRO/-70), Romane Dicko (FRA/+78); Lasha Shavdatuashvili (GEO/-73), Tato Grigalashvili (GEO/-81), Davlat Bobonov (UZB/-90), Ilia Sulamanidze (GEO/-100). Insgesamt werden in Mittersill nicht weniger als 56 Top-10-Athlet:innen der Weltrangliste mit dabei sein.
- 5 aktuelle Weltmeister von Taschkent 2022 sind anzutreffen (Barbara Matic/CRO/-70, Romane Dicko/FRA/+78; Tato Grigalashvili/GEO/-81, Davlat Bobonov/UZB/-90, Muzzaffarbek Turoboyev/UZB/-100).
- Seitens der Europäischen Judo-Union geben sich u.a. Präsident László Tóth, die Vize-Präsidenten Otto Kneitinger, Sergei Aschwanden, Hrvoje Lindi und Generalsekretär Martin Poiger ein Stelldichein. Die EJU-Sport- und Referee-Kommissionen führen Tagungen durch.